Überwältigt von „allem“ – Wie man das Gefühl los wird tausend Dinge parallel tun zu müssen und was hat Marie Kondo damit zu tun?
Es gibt immer Phasen, in denen es wild zugeht: ein Notfall in der Familie, zwei Geburtstagsfeiern mehr als sonst, ein zusätzlicher Auftrag, der sich komplizierter gestaltet als gedacht, und dann kommt auch noch der Schornsteinfeger, während einen Technikprobleme in Warteschlangen gefangen halten und die Sehnsucht nach dem vor Wochen geplanten Konzertbesuch größer wird. Das kennen wir alle. Wenn man dann noch Kinder hat, werden aus wilden Zeiten noch wildere Zeiten.
Gleich mal vorweg: Es gibt mindestens zwei Arten, „überwältigt von allem“ zu sein.

Die Arten des Überwältigtseins
Schwierige Umstände
Man lebt in sehr schwierigen Umständen, vielleicht muss man zwei Jobs machen, um minimal über die Runden zu kommen, dabei die Familie und die Verwandtschaft versorgen. Es gibt viele Umstände, die sind einfach nur hart und da sind die Spielräume extrem gering.
Privilegiertes Überwältigtsein
Man hat Aufträge, Hobbys, Familie und Freunde. Positiv, aber trotzdem ist der Stress da, das Gefühl, vieles parallel machen zu müssen. So ein Gefühl ist ein gutes Zeichen: Man hat genug zu tun und möchte viele Dinge erleben. Wird aus der gelegentlichen Überforderung ein Dauerzustand, stimmt etwas nicht.
Nicht umsonst gibt es ca. 2769 Produktivitätstipps für genau diese Fälle. Und natürlich muss man die Tipps auch alle lesen und ausprobieren, während man mit Trello und Google Calendar versucht, Ordnung ins Chaos zu bringen.
Ansprüche und Angst
Die privilegierte Form des Überwältigtseins hat meiner Ansicht nach mit Ansprüchen zu tun. Man will überall dabei sein bzw. man meint, überall dabei sein zu müssen, weil man sonst vielleicht den nächsten Job nicht mehr bekommt oder nicht mehr gefragt wird, mitzufeiern. Man hat Angst, zu verpassen, oder nicht informiert genug zu sein. Beschäftigt sein ist immer noch ein Statussymbol. Wir leben schließlich im Kapitalismus.
Bevor man in die Produktivitätstrickkiste greift, sollte man sich ehrlich fragen, warum man überall dabei sein will und ob dies überhaupt notwendig ist. Man sollte sich fragen, wie viel reale Notwendigkeit für Projekte und Aktivitäten besteht. Wie viel Angst ist mit im Spiel? Macht man etwas nur weil es nach Außen gut aussieht?
Ansprüche ausmisten
Erst wenn man sich da einen Überblick verschafft hat, kann man ganz in Marie-Kondo-Manier daran gehen und sich fragen, zu welchen der vielen Aktivitäten man „Ja“ und zu welchen man „Nein“ sagen kann. Was trägt wirklich zu positiven Entwicklungen bei und was nicht? Bei „zu viel“ ist das auf jeden Fall eine Fähigkeit, die man entwickeln sollte: Ansprüche ausmisten, sich von einigen Projekten (ob privat oder beruflich) verabschieden.

Zeitkapseln bauen
Mir hilft es, Prioritäten zu setzen und Zeitkapseln zu bauen. Ich lege mir pro Tag maximal drei Aktionen fest, die ich geschafft haben will. Mein Minimalziel. Diese drei Sachen sind auch die drei wichtigsten des Tages. Wenn ich das schaffe, kann ich schon sehr zufrieden mit mir sein. Alles andere ist „nice to have“. Kommt also etwas Unerwartetes, weiß ich schon genau, wo ich Tasks streiche und wo nicht.
Ich vereinbare Zeiten, in denen ich mich voll und ganz auf eine Aktivität konzentriere. Egal ob Arbeit oder Vergnügen. Keine Mails, keine Nachrichten, kein Telefon (außer bei wirklichen Notfällen, aber kein Alltags-Bling-Bling). Die Zeitkapseln beinhalten ca. 30 bis 45 Minuten. Danach sind die Kommunikationskanäle wieder offen, wenn es sein muss.
An Tagen, an denen so viel los ist, dass es unmöglich erscheint das durchzuziehen, bauch ich mir Minikapseln (15min), damit ich für kurze Zeit wirklich konzentriert arbeiten kann.
Ablenkungen managen
Merke ich, dass mich bestimmte Themen immer wieder ablenken oder beschäftigen, dann versuche ich, eine Zeit und einen Ort für sie zu finden. Manchmal hilft einfach schon aufschreiben, um später dahin zurückkehren zu können. Wenn das nicht reicht, lege ich mir eine Zeit und einen Ort fest, an dem ich mich darum kümmern kann. Wenn mich zum Beispiel emotional etwas sehr beschäftigt, ich es mir aber gerade nicht erlauben kann, das direkt zu klären, mache ich mit mir eine Zeit am Tag aus, in der ich mich darum kümmern darf und kann. Und, ganz wichtig, dieses Versprechen halte ich dann auch ein. Denn nur, wenn ich das gute Gefühl habe, dass ich mein Versprechen an mich halte, tritt Ruhe ein.
Klappt das immer?
Natürlich nicht! Aber es klappt so oft, dass es hilft und das Leben ein ganzes Stück entspannter werden lässt.
