Viele Menschen haben spätestens in ihrer Pubertät einen Schlussstrich unter das Thema Malen und Zeichnen gezogen. „Kann ich nicht!“ ist die kurze Formel, die sich im Gehirn festgesetzt hat. Entweder, weil man im Kunstunterricht schlechte Noten bekam oder irgendjemand einen verächtlichen Kommentar zu einer Zeichnung gemacht hat. Vielleicht hat man auch einfach nur die eigenen Bilder mit denen anderer verglichen und gesagt: „Kann ich nicht – lasse ich.“
Wir malen und zeichnen, bevor wir schreiben lernen, und doch nutzen viele Menschen diese Fähigkeit überhaupt nicht mehr oder nur sehr verschämt. Das ist sehr schade und beraubt viele Menschen einer Art des Ausdrucks. Denn ob visuelle Notiz oder mit Farbe spielen zum entspannen, das ist für alle möglich.
Das Missverständnis
„Malen hat etwas mit Talent zu tun, und wenn man es nicht kann, dann sollte man besser die Finger davon lassen“. Das ist eine Haltung, die viele haben. Dieser Haltung begegne ich immer wieder in meinen Kursen rund um das Thema „Sketchnotes, Visuelle Notizen“. Nach den ersten Kursen stellte ich mit Überraschung fest, dass es weniger die Tipps und Tricks sind, die ich zum Thema beitrage, sondern viel mehr, dass der Kurs eine Atmosphäre und Möglichkeit schafft, einfach mit dem Zeichnen loszulegen. Ganz egal, wie „gut“ es aussieht. In einer Gesellschaft, in der es immer darum geht, möglichst perfekt und effizient zu sein, gibt es schnell diesen „Ganz oder gar nicht“-Anspruch. Entweder ich bin richtig gut, oder es lohnt sich nicht, sich weiter damit zu beschäftigen. Vielleicht sogar: Dann darf ich mich damit nicht beschäftigen. Und das hindert uns daran, Spaß zu haben, die eigenen Möglichkeiten zu entdecken und nutzbar zu machen.
Es geht nicht darum, die nächste Mona Lisa zu erschaffen
Keiner von uns käme auf die Idee, nicht mehr zu schreiben, nur weil wir keine Romane wie John Irving oder Dickens schreiben können. Wir schreiben im Alltag: von der Einkaufsliste bis zum Protokoll. Vom Tagebucheintrag bis zu Mitteilungen auf allen Kommunikationskanälen. Und so sollten wir auch mit dem Zeichnen umgehen: als ein alltägliches Hilfsmittel, das wir ohne Scham und mit Lust am Experimentieren nutzen können.
Wer einen Strich, Kreise und Punkte zeichnen kann …
…kann sich zeichnend/malend ausdrücken, strukturieren und arbeiten. Wir alle können zeichnerisch kleine und große Geschichten erzählen, wenn man den Perfektionismus aus dem Fenster wirft und die Neugier und den Spaß durch die Tür einlässt. Gerade am Anfang kommt uns ein Phänomen sehr gelegen: Die Pareidolie, so wird das Phänomen beschrieben, dass wir Menschen sehr schnell in allen möglichen Strukturen (einer Wolke, einem Wasserhahn) Gesichter erkennen. Das heißt für alle Zeichnenden: Mit Augen, Mund und ein paar Haaren wird alles zum Gesicht. Mit Beinen und Armen wird es eine Figur. Probiert es aus: kritzelt willkürlich auf einem Blatt, gebt ihm dicke schwarze Punkte als Augen, vier Striche als Arme und Beine. Schon habt ihr eine Figur. Malt ihr noch ein paar Haare, vielleicht Hasenohren oder einen Hut… und schon seid ihr mittendrin im Abenteuer.
.
Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr Informationen